In
der letzten Ausgabe haben wir die CD "Abendland" des
Duos Henrik Mumm (bass) und Maike Mohr (piano) rezensiert. Nach
mehrmaligem Hören dieses fantastischen Tonträgers entschlossen
wir uns, das Projekt zu unterstützen und unseren Lesern die
Möglichkeit zu geben, mehr über diesen großartigen
Bassisten zu erfahren. So besuchte Ove Bosch Henrik Mumm an einem
schönen Sommerabend in dessen Altbauwohnung im Stuttgarter
Westen.
Henrik Mumm arbeitet als Dozent an der
Stuttgarter Hochschule für Musik. Daneben unterrichtet er
an einer Musikschule in Germersheim in der Pfalz. Im Rahmen eines
Kulturfestivals, das von Dozenten der Schule jährlich mitorganisiert
wird, entstand das Duo mit Maike Mohr.
Während Henrik eher einen klassischen
Background hat (er begann früh mit dem Cello), kommt Maike
aus einer Familie von "Jazzheads". Vor diesem Hintergrund
arbeiten die Beiden folkloristische Themen und Melodien auf. Daraus
entsteht eine Musik, die sehr eindringlich ist. Virtuosität
blitzt zwar vereinzelt auf, meistens wird aber mit Stimmungen
gearbeitet. Als Beispiel nennt Henrik die Adaption des Liedes
"Leise rieselt der Schnee":
"Es war interessant" erzählt der Musiker, "während
Maike bei dem Titel an eine nordische Eiswüste dachte, stiegen
in mir Kindheitserinnerungen auf."
Das Duo nähert sich den Thematiken, indem es Texte übersetzt
und die Zeit beleucht, aus der die Stücke stammten.
"Wir suchen folkloristische Themen
und kennen viele Leute, die sich mit osteuropäischer, keltischer
oder skandinavischer Folklore auskennen und uns 'beliefern'",
erläutert der 41jährige. "Wenn wir das Material
haben, spielen wir das Thema an. Mehr ist es nicht, nur eine Melodie,
keine Changes, Harmonien, gar nichts. Normalerweise wird diese
Musik ja auf Dudelsäcken, Fiedeln oder Flöten gespielt.
Da wir beide keine Instrumente spielen, bei denen man mit dem
Atem arbeiten kann, klopfen wir die Themen daraufhin ab, ob sie
sich für ein Duo mit Klavier und Bass eignen."
Auf diese Weise nimmt das Duo Stücke ins Programm, die durch
bestimmte Modi interessante Stimmungen erzeugen oder in rhythmischer
Hinsicht interessant sind.
"Auf unserer Platte wird man nicht
allzu viele 4/4-Takte finden, außer bei der deutschen Musik.
Bulgarische Folklore steht nun mal im 7/8 oder im 11/8, andere
Titel im 5/4. Das ist aber wichtig, da es andernfalls recht schnell
eintönig wird. Nachdem wir das Material mit Bedacht ausgesucht
haben beginnen wir zu tüfteln und zu harmonisieren, wobei
wir bei den Arrangements der Folklorethemen und der eigenen Stücke
Komposition und Improvisation stark miteinander verweben. Oftmals
ist auch gar nicht ganz klar, wo die Grenze verläuft. Maike
versteht es meisterhaft, sowohl aus einfachen deutschen Volksweisen
als auch beispielsweise aus komplexeren bulgarischen Themen herausragende
Klavierparts zu schaffen, die durch die bewusst gewählten
extremen Lagen des Flügels dem Bass genügend Raum lassen.
Ihre Treffsicherheit bei der Umsetzung von Stimmungen und ihre
Kraft der Improvisation suchen ihresgleichen."
Als Bassist hat es Henrik Mumm die Weltmusik
angetan. Neben seinem Duo mit Maike Mohr tourt er regelmäßig
mit der irischen Sängerin Anne Wylie, die gälische Musik
singt. Durch den außergewöhnlichen Bouzouki-Spieler
Florian King und den norwegischen Perkussionisten Helge Andreas
Norbakken werden den alten keltischen Gesängen beeindruckende
moderne Gewänder verpasst. Darüber hinaus arbeitet Mumm
mit dem tunesischen Bassisten Michel Bismut, dem afghanischen
Perkussionisten Hakim Ludin und dem türkischen Sazvirtuosen
Erding Yüngü zusammen.
Henrik Mumm ist ein Mensch, der nachdenkt über das, was er
tut.
"In den Wirren des letzten Jahrhunderts
erlebten die Deutschen einen Bruch ihrer kulturellen Identität.
Gelebte Folklore verschwand aus dem Leben. Dabei ging ein fantastisches
Kulturgut fast vollständig verloren. Wer einmal Musiker anderer
Länder erlebt hat, wie sie ihre Musik spielen und darin aufgehen,
weiß, was uns fehlt. Wir spielen irische, spanische, südamerikanische
Musik und haben dabei die eigene nahezu vergessen. Auf 'Abendland'
sind zwei wunderschöne deutsche Lieder bearbeitet und für
die nächste Produktion sind weitere in Planung."
Henrik verlässt gerne die ausgetreten
Pfade des Bassspiels, spielt ganze Akkordthemen, Melodien und
Soli und setzt dafür auch Effekte ein. "Manchmal werde
ich gefragt, ob ich ein Endorsment mit Lexicon habe. Habe ich
nicht" lacht er, "aber die langen Hallfahnen von mehreren
Sekunden lassen mich einen Bläser imitieren."
Kleine Besetzungen kommen seinem Selbstverständnis
als Musiker daher sehr entgegen.
"Ich bin kein 'Bass-Bassist', der nur groovt, sondern bediene
gerne auch das Tenorregister. Daher ist für mich der Sechssaiter
das ideale Instrument. Da ich schon früh anfing Cello zu
spielen, zieht sich das Interesse nicht nur für tiefe Töne
schon durch mein ganzes Leben."